Der Spitz oder Pommer nach Baron Nolde (1876)

Canis domesticus pomeranus. – Chien loup. – Pomerian Dog.

Der Spitz, Spitzer oder Pommer repräsentiert die Merkmale seiner Race in so ausgeprägter Weise, dass selbst der Laie nicht leicht bei der Beurteilung desselben irren kann. Ein Spitzer nach altem Schrot und Korn, wie er früher namentlich als Begleiter bei Lastfuhrwerken allgemein getroffen wurde, und wie er heute öftere Verwendung vorzugsweise in Süddeutschland als Wächter auf Bauernhöfe findet, – ist ein äußerst mißtrauischer, bissiger und kläffiger Kumpan.

Eine kleine Rarietät, Canis domesticus, pomeranus audax ungefähr 25. Zent. in Schulter hoch, habe ich um ihres netten Aussehens willen, namentlich aber auch um ihrer Zuverlässigkeit und Wachsamkeit willen, vielfach aus Würtemberg kommen lassen, um sie, als nach jeder Richtung hin empfehlenswerthe Zimmerhündchen 1 weiter zu spediren 2.

Die größere Varietät, der Bauern- oder Fuhrmannspitz (Pommer), (35-40 Zent. in Schulter hoch) wird jetzt freilich in ganz reinen Exemplaren selten getroffen, gleichwohl ist aber den meisten Spitzbastards das reizbare, empfindliche, unruhige und kläffige Wesen ihres Stammverwandten eigen. Durchgängig sind sie vorzügliche Wächter.

Herr Dr. Ludwig Reichenbach rechnet zu den Spitzhunden mit aufrechtstehenden Ohren den Zigeunerhund, den Seidenspitz, den Pommer oder großen Spitz, den Wolfshund, den glatten Schafhund, den zottigen Schafhund, den schottischen Schafhund den Hund von der Bassinsbai 3, den Hund vom Makenzieflusse 4, den sibirischen, isländischen und grönländischen Hund.

Herrn Dr. Josef. Leopold Fitzinger dagegen führt unter der reichen Collection von 48 Haushunden unter „Spitz“ den Fuchsspitz, den Seidenspitz, den Heidenspitz, den Zigeunerspitz, den Doggenspitz, den Dachsspitz und den Windhundspitz an.

Bleibe ich hier, als dem eigentlichen Vertreter der Spitzhunderace, bei Pommer stehen, so ist zu erwähnen, dass derselbe bei der ungefähren Größe eines Fuchses, kräftiger, gedrungener und muskulöser als derselbe ist. An dem kurzen, mit hohem Hinterhaupte, flacher Stirn und kurzer spitzer Schnauze versehenen Kopfe, stehen die schmalen auffällig zu gespitzten Ohren so steif aufrecht, daß sie sofort als Racemerkmal angesprochen werden müssen. Exemplare mit fehlerhaften, halb umgelegten oder mit einem umgeknickten Ohre sind werthlos, während solche, bei denen recht stramm stehende, mit guter Beweglichkeit und Mimik ausgerüstete Ohren vorhanden sind, bei Weitem gesuchter sind.

Spitz.

Die Behaarung, im Gesicht, an den Ohren und an den Füßen kurz anliegend, verlängert sich an den kurzen, kräftigen Halse und an der Brust zu einer lang zottigen dichten Mähne. An den Hinterschenkeln finden sich volle, schöne Hosen, und die langen Haare an den Innenseiten der Vorderläufe vereinigen sich mit dem vom Rücken herabfallenden, glatt-zottigen ziemlich weichen Körperhaare. Die Weichen sind wenig eingezogen, – der volle, buschige Schweif aber wird meist gerollt, links auf dem auffällig geraden Rücken getragen. Ist der Spitz jedoch auf der Flucht, so habe ich mehrfach gefunden, dass er mit glatt hintergelegten Ohren und lang getragener Ruthe, – ähnlich wie der Fuchs, das Weite sucht.

Die Farbe der meisten Spitze ist weiß, weißgelb oder semmelgelb. Glänzend Schwarze habe ich auch mehrfach gehabt, selbige sehen zwar mit ihren großen funkelnden Augen recht martialisch aus, – sie werden aber von vielen Liebhabern sehr schön gefunden. Braune, graue oder buntgefleckte Spitze kommen ganz selten vor, – mehr aber minder weiße Abzeichen, an Kehle, Fuß und Schwanzspitze finden sich bei den einfarbig Dunkeln immer.

Daß die Spitzer im Allgemeinen ganz vorzügliche, nimmer müde Wächter sind, habe ich bereits gesagt, einen Fehler derselben kann ich aber trotzdem nicht unerwähnt lassen. Ähnlich, wie wir es bei Katzen finden, gewöhnt sich der Spitz an das betreffende Grundstück oder an den Wagen worin- oder worauf er groß gewachsen ist, und schwer ist er von dem selben zu trennen, – sehr schwer deshalb auch in reiferem Alter anderswo einzugewöhnen. Wo er kann, benutzt er schlau jede Gelegenheit zur Flucht.

Mit Strafe ist er zu Nichts zu bringen, – er fühlt sich jederzeit frei und selbstständig, – an der Kette kann er wahnsinnig werden – oder ergibt sich stumm in sein Schicksal, straft Alles mit Verachtung und schweigt zu Allem was passiert. – Am liebsten ists ihm, wenn er spazieren kann, wo er will, er muss den Heuboden ebenso kontrollieren dürfen wie den Keller, das Wohnzimmer ebenso gut wie die Scheuer oder den Obstgarten; er will sich sein Lager nach Belieben vo dem Hofthore oder der Hausthüre ebenso wählen können, wie es ihm ungenommen sein muss, ob er es für gut hält, einmal unter der Treppe oder auf dem Misthaufen zu schlafen.

Mit außerordentlicher Vorliebe, Schlauheit und Unverschämtheit versteht er in der Jugend das Geflügel des Gutshofes zu attaquiren 5.

Schläge oder sonstige Strafen bessern ihn aber nicht, erst mit dem Alter, wenn er selbst verständiger wird, läßt er dergl. Thorheiten.

Gegen Hunde ist er im Allgemeinen bissig und rauflustig. In wie weit er jedoch um seines anerkannt reizbaren Naturellswillen leichter als andere Hunde zur Tollwuth inclinirt 6, will ich unerörtert lassen, da gerade bezüglich dieser Krankheit noch viele Vermuthungen und Wahrscheinlichkeiten von der Wahrheit zu sondern sind. Fest steht, daß der Spitz nicht allein, bei Haus, Hof und Gefährt ein höchst unverdrossener, allerlei Strapazen gern und leicht ertragender Wächter ist, sondern daß er auch als Helfer bei der Heerde im Zusammenhalten derselben ganz Vorzügliches leistet. Die meisten Schafhunde haben ja jedoch mehr oder minder Spitzblut in sich.

Dem Spitzliebhaber möge übrigens schließlich noch die Angabe zur Notiz dienen, daß Herr Inspector Ed. Rober in der Zuckerfabrik zu Böblingen bei Stuttgart, sowie Herr Bäckermeister Graf von Stuttgart mir mehrfach ganz brillante schwarze, sowie auch gelbgraue Spitzer mit dunklem Gesicht und dergl. Rüden zu civilen Breisen 7 geliefert haben.


Gallerie edler Hunde-Racen

Baron Eduard von Nolde
(1849-1895)

Baron Eduard von Nolde
Baron Eduard von Nolde

Quelle:

Gallerie edler Hunde-Racen. Vollständiges Handbuch für jeden Jäger und Hundeliebhaber

herausgegeben von Baron Nolde unter Mitwirkung und Beigabe verschiedener Charakterbilder von Freiherr von Meyerinck (königl. preuß. Vize-Oberjägermeister) und Th. Hering (Hering, Heinrich Theodor)

Verlag: Heinrich Schmidt & Carl Günther

Erläuterung

  1. Zimmerhund/-hündchen ist ein anderer Begriff für Schoßhund/-hündchen ↩︎
  2. spediren = versenden ↩︎
  3. Teil des arktischen Archipel, Arktis ↩︎
  4. Mackenzie River ↩︎
  5. attackieren ↩︎
  6. neigen ↩︎
  7. zivile Preise = angemessene Preisvorstellung ↩︎