Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es nicht selten, dass Spitze mit Gütern beladene Pferdewagen begleiteten. Zur wichtigsten Aufgabe gehörte es, dass der Spitz die wertvolle Fracht im Auge behielt und den sogenannten Fuhrmännern, Meldung zu geben, sobald etwas verdächtig erschien. So erhielten diese Spitze ihren Namen „Fuhrmannspitz“.
Für den Alltag des Fuhrmanns war es praktisch einen Wächter für seine Ware, Wagen und Pferde zu haben. Er diente wohl auch der Unterhaltung:
„Dieser in seiner Art ebenfalls ganz vortreffliche Hund wird in vielen Gegenden Deutschlands, zumal in Thüringen, als Wächter auf Bauerhöfen zum Bewachen des Hauses und Hofes oder von Fuhrleuten als Hüter ihrer Wagen benutzt. Bei letzteren fehlt er wohl selten und übernimmt hier zugleich noch eine andere Rolle: Er erheitert und erfreut durch sein munteres Wesen den in gleichmäßiger Weise seinen Tag verbringenden Mann bei dem schwierigen Geschäfte.“
„Weder im Gehöfte, noch auf dem Wagen kann er in Ruhe bleiben. Dort lockt ihn jeder Vorübergehende an die Straßenthüre, jedes ängstlich gackernde Huhn in den Hintergarten; hier setzt er mit geschickten Sprüngen von der Ladung auf den Bock, vom Bocke auf den Rücken des Pferdes, oder aber herab auf die Straße und von dieser wieder auf den Wagen.“ 1
Wie groß war der Fuhrmannspitz?
„Die größere Varietät, der Bauern- oder Fuhrmannspitz (Pommer), (35-40 Cent. in Schulter hoch) wird jetzt freilich in ganz reinen Exemplaren selten getroffen, gleichwohl ist aber den meisten Spitzbastards das reizbare, empfindliche, unruhige und kläffige Wesen ihres Stammverwandten eigen. Durchgängig sind sie vorzügliche Wächter.“ 2
Ein Hund der vom Bock des Wagens auf den Pferderücken springen konnte, war kaum sehr groß oder schwer. Die Hunde wurden für den Gebrauch selten nach Äußerlichkeiten gezüchtet. So sind die beschriebenen 35-40 cm Schulterhöhe ein guter Durschnitt.
Der Alltag der Fuhrleute
„Der Transport per oder zur Fuhre oder Achse nimmt bekanntlich bei uns von Jahr zu Jahr an Bedeutung ab. Schon die Verbesserung so mancher Wasserstraßen wirkte früher darauf ein; in neuester Zeit hat aber die Ausbreitung der Eisenbahnen dem deutschen Frachtfuhrwesen einen Stoß gegeben, von welchem dasselbe sich nie wieder erholen wird. Trotz dessen hing noch bis in das erste Viertel dieses Jahrhunderts die Blüthe unsres Binnenverkehrs auf das Genaueste mit der guten Organisation des Fuhrwesens zusammen, welches Letztere auch vor Allem eine so bedeutende Rolle auf den Messen spielte.„
„Die sogenannte Fuhrmannsstube in dem Wirthshause war die gewöhnliche Wirthsstube, die für andere Gäste, als Herrschaften, bestimmt war. Diese anderen Gäste waren meist Fuhrleute, daher der Name. Es war ein großes geräumiges Zimmer, mit vielen Tischen und Bänken und hölzernen Stühlen darin. Sie lag links am Hausflur und hatte der Eingangsthür gegenüber eine zweite Thür, durch die man unmittelbar in den daneben gelegenen Pferdestall gelangte. Die Fuhrleute mußten immer so nahe wie möglich bei ihren Pferden sein. Des Nachts schliefen sie sogar in dem Pferdestalle.“ 3
Der Fuhrmannspitz war nicht nur ein Wächter
Zu der Zeit, als das Frachtfuhrwerk noch in voller Blüthe stand, als die Straßen und Chausseen von schweren, mit Kisten und Ballen hoch und breit beladenden, sorglich grau oder weiß beplanten Wagen belebt und befahren wurden, deren riesige, theure und werthvolle Last von 4 – 6 kraftigen scheckigen Hengsten im vollen staate der Lastpferde, angethan mit Sattel, Messingzeug und hohen Spitzkummeten, an deren Handseiten rothwollene Tuchlappen oder Wildschweinsfell hingen, mühselig dahergeschleppt wurde, als derartiger Gütertransport im Flor stand, das war die Glanzperiode unseres Spitzpommers.
Sah man ein solches Fuhrwerk eisen- und kettenklirrend, knarrend und ächzend auf der staubigen, holprigen Landstraße im Schneckenschritt sich daher wälzen, so konnte man sicher sein, eines Spitzers feine kläffende Stimme zu hören, die im Zorne und in der Bosheit oftmals überschnappte und heiser zu werden drohte. Trotz alles Rasselns und Prasselns, das der Kauffahrtheifahrer auf dem oft bodenlosen Wege hervorrief, hatte der feinhörige spitz in seiner Schooßkelle neben dem schlumernden blaublousigen Fuhrknechte oder in seinem unter dem Wagen hängenden Schiffe, weichgebettet in dem Heuvorrath, hervorlugend unter allerlei Hacken, Ketten, Unterwürfen, Schleifzeugen, Winden oder Hemmschuhen, die nahenden Tritte eines Fremdlings erkannt und seinen Herrn rechtzeitig die lebhafteste Meldung gemacht. Mit einer Wachsamkeit begabt, wie sie, penibler bei keiner andern Hunderasse zu finden ist, war er für das Leben und Treiben, welches das frühere Fuhrwesen mit sich brachte, wie geschaffen; mit dem Knechte und seinen Pferden war er vollständig verwachsen. War der Knecht munter, dann schlummerte Meister Spitz, schlief der Knecht, ermattet von des Tages Mühen und gedrückt von der Sonnengluth, dann war der Spitz sicher auf seinem Wachtposten. Entweder saß er spähend und lauschend bei seinem Herrn oder er lief patrouillirend unter der Plane, geschickt über Kisten und Kasten wegspringend, perpetuirlich im Wagen hinter und vor, oder er trollte, den Vorreiter bildend, vor den Pferden her, dieselben durch munteres Gebell oder durch öfteres Anspringen zu flotterem Tempo anregend.
Und wie geschickt wußte er seine Untergebenen, denn dafür sah er die Pferde an, in kritischen Fällen zu leiten, sie zum Ausweichen zu veranlassen oder vor Fehltritten zu warnen! Er dirigirte mit außerordentlichem Ueberblick, mit größter Ruhe und Sicherheit und mit höchst lobenswerther Unermüdlichkeit und Ausdauer den ganzen Zug, so daß der Fuhrknecht sich ruhig dem Halbschlummer überlassen konnte. Sein Gespann war in guten Händen.
Kam man an eine Kneipe oder an ein gastliches Wirthshaus, so hätte man meinen sollen, der Spitzer würde endlich ermattet, ein schattiges Pläzchen aufsuchen und behaglich alle Viere von sich gestreckt, sich süßem schlummer oder ersehnter Ruhe hingeben, dem war aber nicht so. Während der Knecht in der niedrigen, dunstigen und verräucherten Gaststube auf plumpem Holzschemel oder auf hochlehniger rother Ofenbank sein Butter- oder Käsebrod verzehrte und sich bei Schnaps oder einem Trunk Dünnbier labte, lagerte der brave Spitzer als unbestechlicher zuverlässiger Wächter unterm Wagen, alles mit Polizeiblick fixirend und höchst malitiös ankläffend, was sich dem Wagen näherte. Weder vorgeworfene Leckerbissen, noch das muntere Spiel der heranwachsenden Dorfhunde konnten seine Gewissenhaftigkeit wankend machen oder ihn gar von seinem Posten verlocken. 4
Der Fuhrmannspitz
War also zur Blütezeit der Transporte per Pferdewagen ein gern gesehner Begleiter. Der kleine bis mittelgroße Hund war flink, aufmerksam und sehr wachsam. Er blieb stets in der Nähe des Wagens, auch wenn er neben ihm herlief. Es zeigt sich, dass er sogar die Fähigkeit hatte, das Pferd anzutreiben. Allerdings wird nicht davon berichtet, dass der Spitz abgesehen vom Kläffen und Alarmschlagen, dem Dieb gepackt, gejagt oder gestellt hätte. Eine ernsthafte Gefahr war er wahrscheinlich nicht.
Der italienische Verwandte
Der italienische Künstler Enrico Coleman (1846-1911) hinterließ eine große Anzahl an Werken aus der ländlichen Szenerie um Rom. Häufig Bauern, Fuhrleute, Kaufleute, Hirten mit Pferden, Rindern, Schafen und Hunden. Neben großen weißen Hüte- oder Hirtenhunden taucht auch der Volpino Italiano auf. Hochbeinig und mit leuchtend orangefarbenen Fell – bis heute wird der rustikale oder traditionelle Volpino Italiano noch in dieser Form gezüchtet, auch wenn er nicht mehr am Karren läuft.
Quellen:
- Illustrirtes Thierleben, Alfred Brehm, Hildburghausen 1864 ↩︎
- Gallerie edler Hunde-Racen, Vollständiges Handbuch für jeden Jäger und Hundeliebhaber, Baron Nolde, Freiherr von Meyerinck (königl. preuß. Vize-Oberjägermeister) und Th. Hering ↩︎
- Erzählungen von J. D. H. Temme; 3. Band, Flüchtlingsleben, Leipzig 1868, 78f. ↩︎
- Diana. Blätter für Jagd- u. Hundefreunde, Prof. G. Jäger, G., Th. Hering, Leop. Martin, W. Pfizenmayer u. a. Kapitel: Der Spitz – von Th. Hering; Stuttgart: Schickhardt & Ebner ca. 1880 ↩︎
Bildnachweise:
- „Black Pomeranian“ aus The Illustrated Book of the Dog, Vero Shaw, London: CASSELL, PETTER, GALPIN & CO ca. 1881
- Fuhrmannsleben: Holzstiche nach Ernst Fröhlich 1849. Münchener Bilderbogen 11. Auflage
- Gemälde Volpino Italiano: Enrico Coleman, www.artuk.org