Spitzerhunde, C. familiaris Pomeranus
Es wird gesagt: Weil der Spitz Pomeranus, Pommer, Bummer heisst, stammt er aus Pommern; er heisst auch Porasch. Es erinnert das erstere an die spassige Ableitung von Fuchs aus dem griechischen Allopex, das sich folgendermassen gestaltet haben soll: Allopeex, Opex, Pix, Pax, Pux, Fuchs. Im Französischen heisst der Spitz nämlich „chien loup“, was nach Obigem darauf hindeuten würde, dass der Urspitz ein Wolf oder ein zum Wolfsjagen verwendeter Hund war. Je mehr man gegen das Mittelalter geht, umsomehr findet man grosse mächtige Spitzerhunde, die als Wacht-, Schäfer- und Hetzhunde dienen und die auch unter verschiedenen Namen vorgeführt werden. Als Beweis hierführ führen wir unter Fig. 31 an: Eine Abbildung von Magnus Brasch*.
Derselbe bildet in seinem sehr schönen Werke (1789) „24 Abbildungen verschiedener Hunde, nach dem Leben gezeichnet, in Kupfer gestochen und mit Farben erleuchtet“, einen Haidhund ab, der den Typus des Spitzerhundes genau trägt, und sagt dazu: „Spitzen, kleinen Kopf, hohe Stirn, kleine gestellte Ohren, über den Rücken getragenen Schwanz und elegante dünne Extremitäten, sehr langhaarig, Farbe gelblich und in keifender Stellung.“
Ferner sind hier die Angaben von Buffon, Bechstein u. A. aus dem Ende des vorherigen oder am Anfang des Jahrhunderts bemerkenswerth:
Der Wolfshund (Wolfsspitzer, weißer Spitz) ist bloss an Kopf, Ohren und Füssen kurzhaarig, sonst langhaarig, schneeweiss oder gelblich weiss. Ein sehr gemeiner Haushund in Thüringen, den besonders gerne Fuhrleute um sich haben. Ich habe einen Hund diser Art gesehen, der die Grösse eines Hühnerhundes mit langen zottigen, seidenartigen Haaren hatte.
Der Fuchsspitz (Wiesbader Spitz). Man sagt, dass er von voriger Art und dem Fuchs herstamme. Er hat runden Kopf, hohe Stirn, sehr spitze Schnauze und sehr lebhafte Augen. Das Gesicht ist schwärzlich und der übrige Körper fuchsroth. Der Körper ist sehr wollig und mit einzelnen Stachelhaaren besetzt und der Schwanz ist ein ordentlicher Fuchsschwanz, doch trägt er ihn gekrümmt, wie ein Spitz. Er ist selten und falsch.
Ferner: Der Pommer ist glatt und kurzhaarig, an Bauch und Kehle, Schenkeln und Schwanz sehr langhaarig, von schwarzer, brauner oder gefleckter Farbe. Ferner ist früher unterschieden worden: „Der englische Spitz“, dann der „gemeine Spitz“, „Bassa“; dann der oben schon abgebildete „Haidehund“, von dem an anderer Stelle gesagt ist, er ist kurz- und steifhaarig, mit etwas wolligem Schwanz, mit weisser Kehle, sonst meist fuchroth, selten von schwarzer Farbe. Eine Notiz, die vielleicht dahin gedeutet werden könnte, dass die Spitze nicht in den Norden von Deutschland heimisch sind, ist in der Zeitung „Hund“, BD. XIII, Nr. 10, vorgeführt.
In Russland gibt es keine einheimische Spitzhunderasse (ein im Bericht über eine Ausstellung in Moskau diesbezüglicher Fehler ist festgestellt und widerrufen). Die Rasse, die ihn dort vertritt, die Laiki, sind zahlreich und ziemlich wolfsähnlich, doch gibt es auch weisse. Soviel steht fest, dass in diesem Jahrhundert der „Spitz oder Spitzer“ sich über ganz Deutschland grosser Beliebtheit erfreut, und dass er wie kein anderer wohl zuerst einheitliche Formen bekam und nur in Grösse und Farben Verschiedenheiten zeigte. Die Ursache hiezu liegt in der Verwendung des Spitzers beim Fuhrwerk. Ob, vor Einführung der Eisenbahnen, ein schwerer Lastwagen mit vier oder sech, selbst acht Pferden bespannt, oder ein Omnibus, eine Postkalesche oder Diligenze auf der Landstrasse daher gerumpelt kam, der Lenker des Fuhrwerks oder der „Conducteur“ besass als treuen, unbestechlichen, bissigen, käffenden Köter einen Spitzerhund und hier in der Verwendung bei diesem Fuhrwerk wurde auch der Grund gelegt zu den grösseren und kleineren Schlägen der Spitzer, weil die Fuhrleute einen kräftigen Hund brauchten, der nicht nur den Weg grossentheils zu Fuss machte, sondern der bergauf die Pferde antrieb und anhetzte durch fortgesetzes Bellen und Anfahren, selbst Beissen in die Fessel. Bergab sprang der Hund in die unten am Wagen hängende Lade und auch bei Nacht, selbst bei grimmigster Kälte verliess er diesen Platz auch nicht, auch niemals um einen Feind zu verfolgen, so toll er auch geberdete wenn Jemand in die Nähe des Wagens kam; hingegen suchten die „Conducteurs“ die Begleiter der Posten, kleinere Spitze, welche sie oben auf dem Wagen placirten; diese sollten namentlich Räuber anzeigen, wenn der Postwagen bei Nacht im Walde langsam eine Anhöhe hinauf humpelte und seine Insassen sammt Postillon und Conducteur schliefen. Diesen Vertrauensposten hat denn auch der Spitzer von jeher zur grössten Zufriedenheit ausgefüllt und wenn je eine Postkutsche von Räubern überfallen wurde, so war es mit eine der ersten Handlungen dieser gewesen, womöglich den sich in wüthender Muthigkeit vertheidigenden Spitzer für sie unschädlich zu machen.
Heute sind diese Dienste überflüssig geworden und seine hauptsächlichsten Leistungen liegen in der Verwendung als Wachthund von Haus und Hof und zweifellos ist er der sorgsamste und treueste Wächter von allen Hunden. Noch heute gilt von ihm, was schon vor 100 Jahren gerühmt wurde: „Ein geborener Hüter für seines Herrn Eigenthum wacht er mit solcher Sorgfalt, deren der Eigenthümer nicht fähig wäre. Wahrhaftig unermüdlich, schläft er nicht Tag und Nacht, und wenn die äusserste Ermattung endlich seine schwere Wimper schliesst, so ist sein Schlaf so leise, dass selbst der frechste Räuber sich zu nähern vergeblich sich bemühen würde.“
Das Gehör des Spitzers ist unübertrefflich scharf und die geringste Ungehörigkeit auf seinem Terrain wird von ihm mit rasendem Gebell signalisiert, das er aber auch stundenlang mit steigernder Wuth fortsetzt, bis ihm die Stimme überschnappt und er ganz heiser wird. Erst nachdem der Gegenstand seines Missfallens verschwunden ist, beruhigt er sich wieder. Was unter seiner Obhut ist, das bewacht er mit einer solchen Gewissenhaftigkeit und hütet und schützt mit so zorniger Eifersucht, dass er bereit ist, für das Kleinste sein Leben einzusetzen, aber nicht dasselbe muthwillig preiszugeben. Sein Terrain, das er als sein Eigenthum, als seine Burg betrachtet, verlässt er nicht, so lange er seinen Wächterdienst ausübt, geht er ja ausserhalb dieses Bezirkes, flanirt umher und er sieht etwas Verdächtiges, so eilt er schnurstraks heim und erwartet den Feind an der Grenze, geht dieser, so ist der Spitzer zufrieden; über die Grenze hinaus verfolgen, hält er unter seiner Würde. Gegen seinen Herrn ist er liebenswürdig und ein grosser Schmeichler. Seine Augen leuchten und er windet und wälzt sich, kriecht und springt vor lauter Wonne, wenn ihn die Hand des Herrn streichelt, wenn ihm Schmeichelworte gesagt werden. Das Anbinden macht ihn traurig, er eignet sich absolut nicht zum Kettenhund und seine Dressurfähigkeit ist nicht besonders hoch. Seine Anhänglichkeit an den ersten Herrn und an die erste Heimat ist sehr gross, so dass er sich, in späteren Jahren verkauft, nur ungerne an einen neuen Besitzer und neue Verhältnisse gewöhnt. Nur da, wo ihm Alles genauestens bekannt ist, wo er sich als „Herr“ gebärden darf, da ist ihm wohl und angenehm. In städten ist der grosse Spitz wegen seienr Giftigkeit gegen jeden Fremden unbeliebt, auch auf dem Lande ist er bei der allgemeinen Sicherheit fast entbehrlich geworden; wo man aber eines treuen Hüters bedarf, ist er geradezu unersetzlich. Der Spitz ist aberwegen seiner Anhänglichkeit, seinem schmeichelhaften Benehmen, seiner Klugheit und gemessenen Fröhlichkeit als Stubenhund ganz ausserordentlich beliebt.
Man züchtet ihn jetzt in verschiedenen Grössen und Farben, sein Charakter ist immer derselbe, aber die Kraft, mit der er seinen Gefühlen Ausdruck verleiht, bildet den Unterschied während der zur Zeit grössten Spitz, der „Fuhrmanns- oder Wolfsspitz“ einen Mann stellen und ein Rind packen kann, ist die kleinste Sorte, die „Zwergspitzer“, kaum im Stande eine Maus davon zu jagen, obgleich sie mit derselben Energie auf den Feind losgehen und mit kaum hörbarer Stimme in höchst komischer Wuth einen Mann anbellen, der sich in Acht nehmen muss, dass er das winzige Köterchen nicht zertritt.
Für den Pommer, meist grau und kräftigst, sowie den schwarzen und weissen Spitz sind folgende Rassezeichen festgestellt worden:
1. Allgemeine Erscheinungen.
Höhe etwa 30 bis 45 cm und auch wohl etwas darüber.
Kurze, gedrungene Figur von kecker Haltung mit fuchsähnlichem Kopfe, spitze Ohren und auf dem Rücken gerollter buschigen Ruthe. Behaarung reichlich und locker, am Halse eine starke mähnenartige Krause bildend. Kopf, Ohren und Pfoten kurz und dicht behaart.
Unruhiges, argwöhnisches Wesen, beim geringsten Verdacht sofort belfernd und kläffend, daher vorzugsweise als Wachhunde gehalten und gezüchtet.
2. Kopf. Mittelgross ; von oben gesehen erscheint der Oberkopf hinten am breitesten und verschmälert sich keilförmig bis zur Nasenspitze. Von der Seite zeigt sich der Oberkopf hoch gewölbt, vor den Augen plötzlich abfallend, die Schnauze spitz, der Nasenrücken gerade und schmal, doch erscheint die Schnauze rund, klein, Lippen nicht überfallend und keine Falte am Lippenwinkel bildend.
3. Augen. Mittelgross, länglich geformt und etwas schräg gestellt.
4. Ohren. Kurz, nahe bei einander, dreieckig zugespitzt, hoch angesetzt und immer aufrecht mit steifer Spitze getragen.
5. Hals und Rumpf. Infolge der reichlichen Behaarung ist es bei dieser Rasse unmöglich, die einzelnen Formen genauer zu beurtheilen. Bei geschorenen Exemplaren zeigt sich, dass der Spitz meist in guten Verhältnissen gebaut ist. Hals mittellang, Rücken völlig gerade, Brust vorn tief, seitlich gewölbt, und der Bauch nach hinten mässig aufgezogen.
6. Ruthe. Mittellang, hoch angesetzt, platt auf den Rücken gebogen und dann seitlich geringelt.
7. Läufe. Mittellang, im Verhältnis zum Rumpfe stämmig und gerade, die hinteren in den Sprunggelenken nur wenig gebogen.
8. Pfoten. Klein, rundlich zugespitzt, mit gewölbten Zehen.
9. Behaarung. Am ganzen Kopfe, den Ohren, an den Pfoten, wie an der Aussen- und Innenseite der Vorder- und Hinterbeine kurz, weich und dicht, am ganzen übrigen Körper reich und lang. Das Eigenthümliche des Spitzhaares besteht darin, dass es namentlich am Halse und an den Schultern, ringsum locker und gerade vom Körper absteht, ohne gewellt oder zottig zu erscheinen, und dass es sich auf dem Rücken nicht scheitelt. Die grösste Länge erreicht das Haar unter dem Halse und an der Ruthe. Die Hinterseite der Vorderläufe trägt eine stark ausgebildete, nach unten verlaufende Feder von den Ellenbogen bis zu den Fussgelenken hinunter, an den Hinterläufen reicht die Feder nur bis zu den Sprunggelenken hinab, so dass die Hinterfusse von da bis zu den Sohlen kürzer behaart erscheinen.
10. Farbe:
a) Grauer, gewöhnlicher Spitz.
Einfarbig wolfsgrau, d. i. gelbgrau oder aschgrau mit schwärzlichem Anfluge der einzelnen Haarspitzen; an der Schnauze und der Umgebung der Augen, an den Läufen, dem Bauche und der Ruthe heller graugelb und weisslich gefärbt, u. zw. in ähnlicher Ausdehnung, wie die bekannten Abzeichen der Dachshunde, jedoch weit unbestimmter und farbloser,
b) Der weisse Spitz soll rein kreideweiss erscheinen, ohne jeden gelblichen Anflug, welcher namentlich an den Ohren häufig auftritt,
c) Die Behaarung des schwarzen Spitzes muss auch im Grunde, ebenso die Haut dunkel gefärbt sein und auf der Oberfläche als glänzendes Blauschwarz ohne alle weissen oder farbigen Abzeichen erscheinen.
Bei allen drei Spitzformen müssen Nase und Nägel schwarz, die Augen dunkelbraun gefärbt sein.
11. Als Fehler sind bei den Spitzen zu betrachten:
Zu stumpfe Schnauze und flacher Oberkopf, zu lange oder nicht völlig steif gestellte, oder gar nach vorn oder seitlich überschlagende Ohren, eine nicht dicht am Körper liegende, sondern hoch getragene oder hängende Ruthe, wellenförmige, auf dem Rücken gescheitelte Behaarung. Beim grauen Spitze sind eine auffällige schwarze Gesichtsmaske und schwarze Flecken auf den Vorderfüssen (Daumenmarken), wie überhaupt alle schwarzen und weissen Abzeichen fehlerhaft; ebenso soll der weisse, wie der schwarze Spitz durchaus einfarbig weiss, bezw. schwarz und frei von allen Abzeichen und Flecken sein. Fleischfarbene Nasen und helle Augen sind immer fehlerhaft.
Der kleine oder Zwergspitz unterscheidet sich von den Genannten nur durch geringere Grösse und feinere Bauart. Man verlangt sehr kleine, feine, stehende Ohren (Mausohren). Die Pfötchen sehr zierlich klein und behaart, die Farbe ist weiss, schwarz oder silbergrau, ohne Abzeichen, das Gewicht nicht über 3,5 Kilo, Augen und Nase immer schwarz, die Nägel dunkel.
Der Seidenspitz ist ähnlich wie der Zwergspitz, hat aber sehr feines, seideglänzendes, langes Haar, das aber möglichst gerade und locker abstehen, nicht gelockt hängen soll. Man sagt, er sei aus Mischung mit dem Malteser entstanden und es spricht die Angabe, dass man die Haare an der Schnauze, den Ohren und Füssen etwas scheren müsse, um die äussere Erscheinung der echten Spitze möglichst wiederzugeben, schon dafür, dass es sich um eine Kreuzung handelt. Wenn dies der Fall ist, dann steht in Aussicht. dass diese Sorte wieder verschwindet, in der Regel an den Folgen der Inzucht zu Grunde geht.
*Der Künstler Magnus Brasch (auch Prascht) lebte in Nürnberg 1731-1787.
Quelle:
Das Buch vom gesunden und kranken Hunde. Lehr- und Handbuch über das Ganze der wissenschaftlichen und praktischen Kynologie. Bearbeitet von Professor L. Hoffmann, erschienen im Verlag von Moritz Perles, Wien 1901