Der Spitz nach Johann Matthäus Bechstein (1807)

Der Hund

Ich will hier die vornehmsten Hunderacen angeben, wie man sie jetzt in Europa antrifft. Ich nenne diejenigen, welche die auffallendsten Abweichungsmerkmale aufzuweisen haben, reine Hauptracen, und diesen kann man denn die Spielarten, welche durch die mannichfaltige Vermischung entstehen, und die man in einfache, doppelte, dreyfache u. s. w. Blendlinge (Mischlinge) eintheilt, unterordnen. Den Stammbaum dieser Hauptracen aber mit allen seinen Varietäten anzugeben ist unmöglich, da sich dieß so ins Unendliche verliert, daß man bey manchen Hunden, und dieß ist gewöhnlich der Fall bey den Scheoshundchen, wenigstens den einen Urstammvater oder die eine Urstammmutter nicht erkennen kann.

1. Der Haushund oder Spitz (Heidehund, Pommer.)

Diesen oder den (bei d) angegebenen Schäferhund nimmt man gewöhnlich für die Stammrace aller Hunde an. So viel ist gewiß, sie kommen dem Schakal am nächsten, der gewiß durch die leichte Zähmung, die er annimmt, wenn es keinen wilden Hund als Stammvater gibt, zur Entstehung dieser Art den ersten Ursprung gegeben hat. Der Haushund ist an Größe verschieden; doch übertrifft er allzeit einen Fuchs.

Der Kopf ist lang; die Stirn platt; die Ohren sind klein und grade in die Höhe stehend; die Schnauze gestreckt, spitzig, nicht sehr gekrümmt; die Füße stark; der Schwanz aufgerichtet, vorwärts und zwar nach der linken Seite sehr krumm gebogen; die Haare gewöhnlich am Leibe kurz, am Bauche, an der Kehle, den Schenkeln und dem Schwanze lang.

Man hat das von folgende Hauptvarietaten:

a) Der kurzhaarige Spitz. Er hat kurze steife Haare, einen etwas wolligen Schwanz, eine weiße Kehle, und ist gewöhnlich gelbroth, braun ober schwarz von Farbe.

b) Der Fuchsspitz (Wißbader Spitz). Man sagt er stamme vom Fuchs und der vorhergehenden Varietät ab. So viel ist gewiß, daß er dem Fuchs sehr ähnlich sieht, und daß man ihm die ordentliche Fuchsgestalt geben kann, wenn ihm den zur Seite gekrümmten Schwanz gleich macht und in die Ohren mit den Händen etwas vordrückt. Er hat einen runden Kopf, eine hohe Stirn, eine spitzige Schnauze und sehr lebhafte Augen; das Gesicht ist schwärzlich, und der übrige Körper fuchsroth, wollig und mit einzelnen Stachelhaaren besetzt. Er übertrifft kaum an Größe den Fuchs, ist aber etwas stärker und höher. Es ist ein seltner Lieblingshund. Man trifft ihn aber selten als unverfälschte Varietät an und er wird theuer bezahlt. Schon an zweyen habe ich gemerkt, daß sich diese Art sehr ungern fortpflanzt. Einer meiner Freunde hat einen ausnehmend schönen, und ich habe auch eine hitzige Betze; allein die Begattung ist nicht fruchtbar.

c) Der Wolfshund (weißer Spitz). In Rücksicht der Ohren und langen Haare gleicht er dem Wolf. Die Schnauze ist lang und spitzig; der Kopf überhaupt lang; der Körper und die Beine sind wohl proportionirt; der Schwanz lang und vorwärts gekrümmt; die Haare auf dem Kopf, an den Ohren und Füßen kurz, über den ganzen Leib und vorzüglich an den Schwanze seidenartig. Der wird von mancherley Farbe angetroffen; die weißen aber sind die schönsten, aber jetzt die gewöhnlichsten, denn man sieht sie jetzt in allen Dörfern, wenistens in Thüringen, als Lieblingshunde der Bauern. Ihre Wachsamkeit empfiehlt sie noch besonders.

d) Der Schäferhund. Die gewöhnlichen Deutschen haben bloß einen ökonomischen Nutzen. Allein seit einiger Zeit kennt man auch die großen Französischen Schäferhunde (Wolfsfänger) in Deutschland als Lieblingshunde großer Herren. Diese haben, so wie die Schäferhunde überhaupt, eine lange etwas dickere Schnauze als der Spitz, kleine Ohren die zur Hälfte steif und oben umgebogen sind; die Haare an Kehle, Hals, Bauch, Schenkeln und Schwanz sind länger als an den andern Theilen des Leibes.

Diese Race der Schafhunde ist gegenwärtig wohl nirgends so vervielfältigt und verfeinert als in Holland, weil sie wirklich die Ehre haben, Modehunde zu seyn.

Johann Matthäus Bechstein
Johann Matthäus Bechstein, posthume Darstellung von Emil Eugen Sachse (1854)

Johann Matthäus Bechstein (1757-1822) war ein deutscher Naturforscher, Forstwissenschaftler und Ornithologe. Er gilt als Pionier des Naturschutzes und der wissenschaftlichen Ornithologie.


Quelle

Naturgeschichte der Stubenthiere. Johann Matthäus Bechstein, Gotha (1807)