Der schwäbische Weinbergspitz oder Wengerterspitz

Das deutsche Bundesland Württemberg wird als ursprüngliches Zuchtgebiet des schwarzen Spitzes oder „Spitzer“ angesehen. Die typische Aufgabe dieser „Weinbergspitze“ war es, die reifen kostbaren Trauben vor vier- und zweibeinigen Dieben zu beschützen. Tagsüber verscheuchten die Hunde Vögel und sonstiges Getier und nachts sorgte der unsichtbare schwarze Hund dafür, dass Traubendiebe wenig Chancen hatten, einen Schaden anzurichten.

Die Jäger akzeptierten die selbstständigen, frei gehaltenen Hunde, weil sie keine Neigung zum Wildern zeigten, aber sich auch nicht als Jagdhund abrichten ließen.

Der schwarze Spitz gewann im 19. Jahrhundert an Bedeutung und erfreute sich großer Beliebtheit bei Weingärtner und Winzer. Diese züchteten die schwarzen Spitze und präsentierten diese als erste erfolgreich auf internationalen Zuchtschauen.

Die kleinen schwarzen Spitzer, die in der Region um Mannheim ihren Ursprung fanden und daher auch Mannheimer Spitze hießen, könnten vielleicht sogar die nächsten Verwandten des Weinbergspitzes sein.

Ein ehemaliger Zeitzeuge vom Weinbergspitz: Das Urbandenkmal in Stuttgart

Urbandenkmal von Adolf Fremd (1904)

Stuttgart teilt das Los aller großen Städte: die mächtig wachsende Ausdehnung erhöht den Reiz der Umgebung nicht; langsam, aber stetig schwillt das Häusermeer an den Höhen entlang; die in der Abendsonne oft so wundervoll erstrahlenden, violett schimmernden Rebenhügel schmelzen zusammen und mit ihnen verschwindet verschwindet auch allmählich in Stuttgart selbst der uralte biedere Stand der Weingärtner, im Volksmund „Wengerter“ genannt.

Es war daher ein schöner Gedanke des Bürgervereins der unteren Stadt, daß er das Andenken an ihren volkstümlichen Stand in künstlerischer Form für alle Zeiten erhalten wollte. Und welcher Platz wäre dafür auch geeigneter gewesen als der von Gartenbauinspektor Ehmann so schön mit gärtne rischen Anlagen, geschmückte Urbansplatz, Urban, dem Schutzheiligen der Weingärt ner gewidmet! Prof. Lauser, dessen rührigerlnitiative diese Denkmalsangelegenheit viel verdankt, wandte sich an Bildhauer Ad. Fremd, den Schöpfer des Nachtwächter brunnens, des Lisztdenkmals, der großen Figuren auf der König Karls-Brücke, mit dem Wunsche, einen „Urban“ mit Butten voll Weintrauben im Modell zu erhalten, der auf einem Mauerstück ausruhend sitze über einem natürlichen Unterbau von Felsen, und nicht auf einem Architektur postament. Beide Herren, Lauser und Fremd, waren von Anfang an darin einig, daß es sich hier nicht um eine Darstellung des uns von der Sage als Schutzheiligen der Weingärtner überlieferten heiligen Urban — einmal als Bischof in Südfrankreich im vierten Jahrhundert, zum andernmal als j deutscher Apostel im siebenten Jahrhundert, der in unsrer Gegend den Rebenbau eingeführt haben soll — handeln konnte, zumal bildliche Ueberlieferungen nicht existieren.

Dagegen schien eine Gestalt aus dem Volke, verständlich für jedermann, hier das einzig richtige zu sein, also eine typische Figur aus dem Weingärtnerstande, so daß hier in künstlerischer Auffassung jene Gestalt wieder erstünde, die früher — mehr volkstümlich freilich als künstlerisch — vom Kanonenweg aus herabsah auf die Stadt. So ist das Denkmal dieses Weingärtners, typisch in seiner Gestalt und seiner Jahr hunderte alten Tracht, ent standen. Auf einem Unterbau, der aus Findlingen, d. h. aus den zerstreutliegenden Steinen des alten vulkanischen Kessels, „Randecker Maar“ genannt, zusammengestellt ist von Prof. Lauser in freier male rischer Gruppierung, von Hauswurz, Lavendel, Sedum u. s. w. durchwachsen, und so der schönen gärtnerischen Anlage mehr entsprechen dürfte, als eine streng archi tektonische Form, so erhebt sich eine Art Ruhesitz, gleich sam ein Stück Weinbergmauer in roh zugehauenem Korn stein. Auf ihm sitzt unser Urban, unser Weingärtner. Er mag schwer gearbeitet haben an diesem Tag, um den goldig blinkenden Segen ein zuheimsen; leicht, in un gezwungener Haltung stützt er den nackten rechten Arm auf die Mauer, während die linke Hand den goldenen Becher hält. Ein Abglanz von Frieden, das wohlige Gefühl einer segenbringenden harten Arbeit, der das Glück der Sonne diesmal so reichlich gelacht, verklärt die ganze Gestalt, spricht aus dem aus geprägten markigen Kopf, der in seinen Zügen so charak teristisch erscheint, wie man ihn gleich einer Art von Fa milienähnlichkeit allenthalben in der weinbautreibenden Be völkerung unsrer Umgegend beobachten kann. Ueber dem offenen, die Brust freilassenden Hemd trägt er den Lender, ein Lederwams, das bei den Weinbauern aller Länder schon seit Jahrhunderten im Gebrauch ist und ihnen, wie auch unserm Urban, das Tragen der schweren, mit Trauben be ladenen Butten erleichtert. Der Kopf ist mit der altbekannten aufgestülpten Kappe bedeckt, während die kräftigen Beine mit ledernen Kniehosen, Strümpfen und Schnallenschuhen bekleidet sind. Vor unserm Urban aber sitzt sein unzertrenn licher Gefährte, ein Hund, der bekannte „Wengerterspitz“. Wie die plastische Gesamtwirkung des Werkes, so ist auch die Farbenwirkung eine ungemein glückliche. Die prächtige Patina,’der Altbronzeton der Gestalt (gegossen in Wachs schmelzung bei Milberg-Feuerbach) steht sehr schön zu dem Hellgrau des Kornsteins und zu dem durch seine Pflanzenunterwachsung so reichfarbigen Unterbau. Das Grün der Anlagen sowie der Hintergrund in Gestalt einer Kammerz von Reben geben den schönen Schlußakkord zu der glück lichen Gesamtstimmung. 1

Der am 1892 eingeweihte Urbansplatz war benannt nach dem Hl. Urban, dem Schutzpatron der Weingärtner. Das Urban-Standbild wurde leider in den 1940ern im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen und nicht wieder errichtet.

Postkarte mit Urban-Denkmal

Nach dem zweiten Weltkrieg bestimmte die Industrialisierung die deutliche Veränderung der Landschaft sowie die Verwendung von Nutzflächen und -tieren. Die Anbaugebiete schrumpften, die Haltung und Zucht der schwarzen Spitze fand ein abruptes Ende mit sehr wenigen Ausnahmen.

Hl. Urban mit Spitz

Postkarte mit Urban-Denkmal


Quellen:

  1. Württembergische Bauzeitung Nr. 20, 1. Jahrgang vom 07.05.1904 ↩︎

Schwäbische Heimat 2019/4, „Die Stadt im Weinberg Weinbau und Stadtentwicklung in Stuttgart“ von Christine Krämer