Der Löwenspitzer

Woher kam der Löwenspitz?

Postkarte die einen weißen Spitz zeigt, Aufschrift Löwenspitz
Postkarte von Cäsar und Minka: Löwenspitz

Cäsar und Minka – eine selbst ernannte Rassezüchterei, vielmehr einer von mehreren Hundefabriken oder Hundegroßhändlern seiner Zeit, bot neben Hunden jeden Alters und Rasse auch das passende Hundefutter und Zubehör an.

Die Zuchtanstalt, die sich hinter den freundlich klingenden „Cäsar und Minka“ (zwei damals bekannte große Leonberger) verbarg, dürfte seiner Zeit in harter Konkurrenz zu anderen Zwingern gestanden haben. Insbesondere Arthur Seyfarth mit seiner „Ersten deutschen Rassehunde-Zuchtanstalt und -Handlung“ in Bad Köstritz wollte der größte Anbieter sein. Der Druck war also enorm groß, die besseren Hunde in Deutschland und am besten weltweit anzubieten. Mit der Hilfe vom „Hof-Photograph“ Oscar Strensch gelangten ab ca. 1905 die Postkarten-Kollektionen von „Hundetypen“ in den Verkauf. Die Aufnahmen der Hunde wurden direkt in den Zwingern in Wittenberg aufgenommen. Es entstanden eine ganze Reihe Postkarten verschiedenster Hunderassen, die für den Verkauf erstellt wurden und zugleich eine Werbung für die herrlichsten Hunde weit und breit darstellten.

Oscar Strensch, Hof-Photograph, ca. 1887, Wittenberg, Rückseite mit Siegel
Oscar Strensch, Hof-Photograph (ca. 1887) 1

Oscar Strensch, Foto-Rückseite ca. 1900 - Hof-Photograph für Hundezucht in Zürich, Wien, Leipzig und Wittenberg
Oscar Strensch, Foto-Rückseite ca. 1900

In diesem Zusammenhang tauchte auch der Begriff „Löwenspitz“ oder „Löwenspitzer“ zum ersten Mal schriftlich auf.

Einen Stammbaum oder Papiere erhielten die verkauften Hunde scheinbar nicht. Der Verdacht lag nahe, dass bei der Zucht dieser Hunde nicht alles legal ablief. So setzte der „Verein für deutsche Spitze“ (gegründet am 01.10.1900) bereits 1906 folgendes fest:

Ausgeschlossen sind gewerbsmässige Hundehändler sowie Aussteller, welche Vereinen von Hundehändlern angehören oder bei Veranstaltungen solcher sich beteiligen.2

Und der Löwenspitz, war er denn so perfekt? Erst der zweite Blick auf die Postkarten verrät, dass die Bilder optisch nachbearbeitet und verbessert wurden, damit der gezeigte Löwenspitz auch dem Ideal entsprach: Eine ausgeprägte Mähne mit breitem Nacken, einen überaus buschigen Schwanz und genug Fahne an den Vorderpfoten.

Eine von vielen Werbeanzeigen von Cäsar und Minka

Die Verkaufsanzeigen tauchten in vielen Zeitungen, Prospekten und Büchern auf. In dieser von 1910 werden auch die angebotenen Postkarten erwähnt:

Anzeige, Announce im Beiblatt der Fliegenden Blätter, 23.09.1910 - Cäsar & Minka Racehunde-Züchterei u. Handlung, Zahna (Preussen)
Anzeige im Beiblatt der Fliegenden Blätter, 23.09.1910

Die Anzeigen von Cäsar und Minka führten keine Löwenspitze. Stattdessen gab es zusätzlich das angebotene Buch „Des edlen Hundes – Aufzucht, Pflege und Dressur“ von Otto Friedrich (1889), dessen Titel von Cäsar geschmückt wird. Darin finden wir über den Löwenspitz ein eigenes Kapitel:

Der Löwenspitzer

Löwenspitzer Holzstich

Unter den zur Bewachung des Hofes und Hauses gehaltenen Hunderacen nimmt der Spitz die erste Stelle ein; er vereinigt mit einem reizbaren, unruhigen , kläffigen Wesen eine unermüdliche Wachsamkeit, welche selbst durch die grössten Strapazen nicht vermindert werden kann. Wie sehr der Spitz von seinem Beruf als Wächter überzeugt ist, zeigt seine Eigenthümlichkeit, dass er sich nicht gern an einen bestimmten Ruheplatz gewöhnen kann und will. Bald pflegt er auf dem Düngerhaufen, bald in irgend einem Stallwinkel, bald vor der Haus- oder Hofthür sein Lager auf zuschlagen . Er muss frei und ungebunden das ihm zur Be wachung überlassene Revier durchstreifen können , so dass er ebenso gut auf den obersten Boden als in den tiefsten Keller des Hauses gelangen kann. Ebenso kontrolirt er die Ställe und die Gärten , und geht er wirklich einmal mit dem Pferdegespann auf das Feld, so ist sein Platz da , wo die Kleidungsstücke der auf dem Felde beschäftigten Leute liegen. Ebenso treu bewacht er den Wagen des auf einsamer Strasse fahrenden Frachtfuhrmannes, und zu der Zeit , wo das Frachtfuhrwerk noch in Blüthe stand , war ein guter Spitz ein sehr gesuchter und gut bezahlter Hund.

Der Löwenspitzer ist die grösste der Spitzerarten, eine Abart des grossen Spitz mit glattem Kopfe. Er erreicht fast die Grösse eines Fuchses , ist jedoch kräftiger und muskulöser als dieser. Der Kopf ist flach , die Schnauze spitz, die Ohren schmal und aufrecht stehend , was ein Hauptmerkmal für die Reinheit der Race ist. Spitzer mit halb umgelegten Ohren sind nicht so werthvoll, als die mit gerade aufrecht stehenden. Die Behaarung ist sehr reich und während sie im Gesicht, an den Ohren und an den Füssen kurz anliegend ist , verlängert sie sich an dem Halse welcher kurz und kräftig sein muss und der Brust zu einer dichten Mähne; der Rücken ist gerade und die Ruthe ist ein voller buschiger Schweif, welcher grossentheils gerollt getragen wird. An den kräftigen Hinterschenkeln bilden sich Hosen. Zum grossen Theile ist die Farbe der Spitzer weiss, weissgelb und semmelgelb, selten kommen andere Spielarten vor, so dass der ganz schwarze Spitz eine grosse Seltenheit ist. 3

Arthur Seyfarth und der Löwenspitzer

Eine weitere Quelle für den Löwenspitzer seiner Zeit war die bereits oben erwähnte Zuchtanstalt von Arthur Seyfarth. Er agierte mit einem ähnlichen Angebot in Köstritz (Thüringen). 1864 gegründet, sollte er der erste große Edel-Rassezüchter mit eigener Zuchtanstalt sein. In seinen Anzeigen finden sich Löwenspitzer und Seidenspitzer (Siehe Seidenspitz).

Announce / Reklame von Arthur Seyfarth Zucht-Anstalt
Announce / Reklame aus 1901 von Arthur Seyfarth Zucht-Anstalt
Announce der Zuchtanstalt aus 1901

Hunde bestellen aus dem Werbeprospekt?

Wie auch bei Cäsar und Minka lag die Zuchtanstallt von Seyfahrt in der Nähe eines Bahnhofs, was einen Transport in alle Welt ermöglichte. Dazu gab es passend einen Preiskatalog „Album edler Rasse-Hunde„, ein Bestellkatalog im Selbstverlag herausgebrach. 4

Preisprospekt "Album edler Rasse-Hunde" von Arthur Seyfarth, Köstriz Thüringen
Preisprospekt „Album edler Rasse-Hunde“

Aus dem Prospekt "Album edler Rasse-Hunde"
Aus dem Prospekt „Album edler Rasse-Hunde“

Wolfsspitze und Löwenspitze

Der Wolfsspitz, Löwenspitz, auch pommerscher Spitz genannt, ist ein äusserst robuster, lebhafter und wachsamer Hund. Er hat glattes Gesicht, spitze Ohren, reiche, volle Behaarung, starke Mähne und auf dem Rücken gerollte Fahnenrute. Seine infolge des feinen Gehörs aussergewöhnliche Wachsamkeit ist sprichtwörtlich. Jedes unmerkliche Geräusch alteriert ihn, er spitzt die Ohren, springt auf und schlägt an. Der dichte, volle Pelz schützt ihn gegen Kälte und Nässe. Der Spitz eignet sich daher sehr für den Aufenthalt im Freien, für Wachtdienst wobei seine Anlagen vorzüglich zur Geltung kommen, zugleich ist er aber auch ein sehr angenehmer Zimmer- und Haushund. Wegen der wolfsgrauen Farbe wird er Wolfsspitz, die weissen oder schwarzen Spitze werden Löwenspitze, Friesländer, auch pommersche Spitze genannt.

Farben: schwarz, reinweiss, wolfsgrau, fuchsrot, braun

Grösse: 40-50 cm

Gewicht: 10-15 Kilo

Wie auch bei Cäsar und Minka gab es daneben noch eine umfangreichere Literatur: „Der Hund und seine Racen. Anleitung zur Kenntnis der Hunderassen, der rationellen Zucht, Erziehung, Pflege, Dressur und Heilung der Krankheiten.„, erschienen 1900.


Quellen:

  1. Lexikon der Fotografen, aus der Sammlung Thiel – Melerski: Hof-Photograph Strensch ↩︎
  2. Der deutsche Spitz in Wort und Bild. Herausgegeben vom „Verein für deutsche Spitze“ (Sitz in Elberfeld) Karl Wolfsholz jr. (1906) ↩︎
  3. Des edlen Hundes Aufzucht, Pflege und Dressur, Otto Friedrich, 7. Auflage 1889 (Selbstverlag) ↩︎
  4. Album edler Rasse-Hunde. Deutsche Ausgabe, Selbstverlag, Arthur Seyfarth, 1905 ↩︎