Erwähnung vom Spitz bei Rudolf Bommeli (1894)

Spitzhund - ein Druck mit Hunderassen, darunter ein kleiner weißer Spitz
Spitzhund

Der Hund.

Bei der großen Zahl äußerst verschiedenartiger Rassen ist es nicht leicht, mit wenigen Worten eine Beschreibung zu geben, welche für alle Hunde charakteristisch ist und sie von ihren nächsten Verwandten, den Wölfen, Schakalen und Füchsen, unterscheidet.

Linné, ein Meister im Charakterisiren der Naturkörper, kennzeichnet den Haushund ungefähr folgendermaßen:

„Frißt Fleisch, Aas, mehlige Pflanzenstoffe, kein Kraut, verdaut Knochen, erbricht sich nach Gras; lost auf einen Stein: Griechisch- Weiß 1, äußerst beizend. Trinkt leckend; wässert seitlich, in guter Gesellschaft oft hundertmal 2; Nase feucht, wittert vorzüglich; läuft der Quer; geht auf den Zehen, schwitzt sehr wenig, in der Hitze läßt er die Zunge hängen; vor Schlafengehen umkreist er die Lagerstätte; hört im Schlaf ziemlich scharf, träumt. Die Hündin trägt neun Wochen, wölft 4 bis 8, die Männchen dem Vater, die Weibchen der Mutter ähnlich. Treu über Alles; Hausgenosse des Menschen; wedelt beim Nahen des Herrn, läßt ihn nicht schlagen; geht Jener, läuft er voraus, am Kreuzweg sieht er sich um; gelehrig erforscht er Verlorenes, macht Nachts die Runde, meldet Nahende, wacht bei Gütern, wehrt das Vieh von den Feldern ab, hält Renthiere zusammen, bewacht Rinder und Schafe vor wilden Thieren, hält Löwen im Schach, treibt das Wild auf, stellt Enten, schleicht im Sprunge an das Reh, bringt das vom Jäger Erlegte, ohne zu naschen, zieht in Frankreich den Bratspieß, in Sibirien den Wagen. Bettelt bei Tische; hat er gestohlen, zieht er ängstlich den Schwanz ein; frißt gierig. Zu Hause Herr unter den Seinigen; Feind der Bettler; greift ungereizt Unbekannte an. Mit Lecken heilt er Wunden, Gicht und Krebs. Heult zur Musik, beißt in einen vorgeworfenen Stein; bei nahem Gewitter unwohl und übelriechend. Hat seine Noth mit dem Bandwurm; Verbreitung der Tollwuth. Zuletzt wird er blind und benagt sich selbst. Der amerikanische vergißt das Bellen. Die Mohamedaner verabscheuen ihn; Opfer des Zergliederns für Blutumlauf.“

Kein anderes Thier zeigt hinsichtlich seiner Gestalt so große Unterschiede wie der Hund. Welch ein Gegensatz zwischen Windspiel und Dachshund, zwischen Dogge und Spitz, zwischen Neufundländer und Affenpinscher, zwischen Bernhardiner und Mops!

Aber so groß die leibliche Verschiedenheit der Hunde ist, die geistige ist noch viel größer.

Die einen Hundearten sind völlig ungelehrig, die anderen lernen alles Mögliche augenblicklich. Die einen kann man nicht, die anderen schnell ganz zähmen, und was die einen hassen, das lieben andere. Der Pudel geht von selbst ins Wasser, der Spitz will immer zu Hause bleiben. Die Dogge läßt sich auf den Mann, der Pudel nicht hierzu abrichten. Nur der Jagdhund hat eine solche feine Spürnase; nur der Bärenhund beißt den Bären zwischen die Hinterbeine; nur der lange Dachshund, dem in der Mitte ein paar Beine zu mangeln scheinen, ist so niedrig gebaut und so krummbeinig, um in Dachslöcher hineinkriechen zu können, und thut dies mit derselben Wollust, mit welcher der Fleischerhund in Bogen läuft und hinter den Kälbern und Rindern herhetzt. Der Hund von Neufundland ist es, der den Wolf nicht fürchtet, daher vortrefflich zur Heerdenbewachung dient und meisterhaft gräbt, schwimmt, taucht und Menschen herausholt. Auch der Fleischerhund mißt sich mit dem Wolfe, ist ein guter Heerdenwächter, jagt auf wilde Schweine und jedes andere große Thier, ist verständig und dem Herrn treu zugethan, geht aber nicht ins Wasser, wenn er nicht muß. Man benutzt und mißbraucht ihn zur Hetze, wodurch er immer schärfer und besonders gegen Kälber, die, weil sie nicht ausschlagen, von ihm nicht gefürchtet werden, eine wahre Bestie wird. Sein Blutdurst ist äußerst widrig und seine Wuth zu beißen, Blut zu trinken, Thierüberreste herum zuzerren und zu fressen, gehört zu seinen schlechtesten Eigenschaften. Dem Windhund wird beinahe aller Verstand, Erziehungsfähigkeit und Treue an seinen Herrn ab-, dafür kindische Neigung, von Unbekannten sich schmeicheln zu lassen, zugesprochen; doch kann man ihn zur Jagd auf Hasen ec. abrichten. Die Wachtelhunde deuten mit ihrem Namen auf das, wozu sie von Natur taugen. Denn der Hund und jedes andere Thier muß durch irgend Etwas von sich aus kund thun, wozu es Lust hat, ehe man es abrichten will. Zum bloßen Vergnügen, sich im Arm sanft tragen zu lassen, mit der Dame auf dem Sopha schlafen, am warmen Busen zu liegen, Ungünstlinge anzuknurren, in der Stube zu bleiben, mit der Dame aus einem Glase zu trinken, von einem Teller zu speisen und sich küssen zu lassen, dazu werden Bologneser- und Löwenhündchen gehalten.Am Jagdhunde wird ein scharfer Geruch und viel Verstand und die größte Gelehrigkeit nebst treuer Anhänglichkeit an seinen Herrn gelobt. Ebenso verständig und ein guter Wächter ist der Haus oder der Hirtenhund. Der Spitz oder Pommer soll kluger, gelehriger, lebhafter und geschickter Art sein und gern beißen, als Haushund wachsam und in einzelnen Abarten tückisch und falsch sein. Dem Menschen ergeben, aber ohne seinen Herrn zu kennen, Schläge nicht fürchtend, unersättlich und doch mit Geschicklichkeit lange zu hungern fähig, gehört zur Kennzeichnung des Nordhundes.

(v. l.) Hirtenhund, Neufundler, Haushund, Spithund, Pudel, Eskimohund, Bernhardiner - Druck auf Papier mit verschiedenen Hunderassen
(v. l.) Hirtenhund, Neufundler, Haushund, Spitzhund, Pudel, Eskimohund, Bernhardiner

Der Doggen Art ist Trene bei wenig Verstand; sie sind gute Wächter, wilde, muthige Gegner auf wilde Schweine, Löwen, Tiger und Panther; sie achten auch ihr eigenes Leben fast für Nichts, merken auf jeden Wink des Auges und der Hand, wie vielmehr auf das Wort ihres Herrn, lassen sich auf den Mann ab richten, nehmen es mit drei, vier Mann auf, berücksichtigen Schüsse, Stiche und zerrissene Glieder nicht und balgen sich mit Ihresgleichen greulich herum. Sie sind sehr stark, reißen den stärksten Menschen zu Boden, erdrosseln ihn, bannen ihn, auf ihm herumspringend, auf eine Stelle, bis er erlöst wird und halten rasende Wildschweine am Ohr unbeweglich fest. Leitsam sind sie im höchsten Grade. Sie haben ein wenig mehr Verstand, als man meint. Am tiefsten unter den Hunden steht unleugbar der Mops. Er ist eigentlich dumm; er ist durch geistige Versinkung entstanden und kann sich begreiflich durch sich selbst nicht heben. Er erfaßt den Menschen nicht und der Mensch ihn nicht.

,,Der vollkommenste Hund ist der Pudel, und was Gescheidtes und Braves am Hunde gerühmt wird, bezieht sich vereint auf ihn. Von keinem Thiere können wir so oft sagen, daß ihm vom Menschen nichts mehr, als die Sprache mangelt, von keinem Säugethiere haben wir so viele Dar- stellungen aller Abänderungen, von keinem so eine außerordentliche Menge von Erzählungen, die uns seinen Verstand, sein Gedächtniß, seine Erinnerungskraft, sein Schließungsvermögen, seine Einbildungskraft oder gar sittliche Eigenschaften, als da sind: Treue, Anhänglichkeit, Dankbarkeit, Wachsamkeit, Liebe zum Herrn, Geduld im Umgang mit Menschenkindern, Wuth und Todeshaß gegen die Feinde seines Herrn ec. kundthun sollen, deswegen kein Thier so oft als er dem Menschen als Muster vorgestellt wird. Wie viel wird uns von seinen Fähigkeiten, zu lernen, erzählt! Er tanzt, er trommelt, er geht auf dem Seile; er steht Wache; er erstürmt und vertheidigt Festungen, er schießt Pistolen los; er dreht den Bratspieß, zieht den Wagen; er kennt die Noten, die Zahlen, Karten, Buchstaben; er holt dem Menschen die Mütze vom Kopfe, bringt Pantoffeln und versucht Stiefel und Schuhe wie ein Knecht auszuziehen; er versteht die Augen- und Mienensprache und noch gar vieles Andere.“

Scheitlin

Auch unter den Schäferhunden giebt es solche von staunenswerther Klugheit, und es werden von ihnen fast unglaubliche Dinge berichtet. Ein Beobachter versichert, daß er einst gehört habe, wie ein Schäfer seinem Hund befahl, den Raps besonders in Acht zu nehmen. Das Thier stutzte einen Augenblick, wahrscheinlich, weil es das Wort früher noch nicht gehört hatte. Weizen und Roggen, Gerste und Hafer, Wiese und Feld waren ihm bekannte Dinge, vom Raps jedoch wußte es noch nichts. Nach kurzer Ueberlegung machte es die Runde um die Heerde, untersuchte die einzelnen Felder und blieb endlich bei demjenigen stehen, dessen Frucht sich von den ihm bekannten Getreidearten unterschied – das mußte das Rapsfeld sein, und dem war auch wirklich so. Wohl der berühmteste aller Hunde ist Barry, jener Bernhardiner, der mehr als 40 Menschen, die beim Uebergang über den gefährlichen St. Bernhardspaß verunglüct waren, das Leben gerettet hat. Bekannt ist die Erzählung, wie er ein unter einer Lawine begrabenes Knäblein hervorgrub, dasselbe ins Bewußtsein zurückrief, sodann nicht ruhte, bis der dem Tode Entronnene sich auf seinen Rücken setzte, damit dem Kloster zutrabte, die Thürklingel zog und seinen Schützling den Mönchen zur Pflege übergab. Barry, wie beschämst du jene Größen unter den Ebenbildern Gottes, deren ganzer Ruhm in der Volksverdummung und -Ausbeutung oder im raffinirten Massenmord besteht!

Für manche unkultivirte Völkerschaften ist der Hund das wichtigste aller Hausthiere, ohne welches sie nicht existiren könnten. Solches gilt z. B. von den Nordlandshunden, unter denen der Eskimohund einer besonderen Erwähnung werth ist. Derselbe dient sowohl als Last- wie als Zugthier, geht mit seinem Herrn auf die Renthier-, Seehund-, Bären und Otterjagd, ist ein vortrefflicher Wächter und leistet noch hundert andere Dienste. Ihrer sechs bis acht ziehen einen Schlitten, der mit fünf bis sechs Personen oder sechs bis acht Zentnern beladen ist, und legen damit acht bis zehn Meilen in einem Tage zurück. Dasselbe gilt von den Hunden Sibiriens und Kamtschatkas. Wenn unter den Nordlandshunden verheerende Seuchen ausbrechen, so hat dies regelmäßig große Hungersnoth und massenhaftes Dahinsterben der Menschen zur Folge, weil wegen Verminderung der Hundezahl die Herbeischaffung genügender Nahrungsmengen eine absolute Unmöglichkeit ist.

Buchtitel: Illustrirte Thierwelt von R. Bommeli mit Gravur, Golddruck auf Leinen
Illustrirte Thierwelt von R. Bommeli

Rudolf Bommeli (1859-1926)

 Geboren in Zürich, war ein Sohn eines einfachen Handwerkers. Ledig. Lehrer, dann Student der Naturwissenschaften in Zürich als Schüler von Arnold Dodel, unter dessen Einfluss er ab 1890 beim Verleger Dietz in Stuttgart populärwissenschaftliche Werke publizierte. Aufgrund seiner materialististischen und sozialistischen Ideen ohne Anstellung, liess er sich in Genf (1891-93) nieder. Als Grütlianer spielte bei der Gründung der Genfer SP eine wichtige Rolle. Nach dem Umzug nach Lyon wurde er 1894 wegen seiner politischen Aktivitäten aus Frankreich ausgewiesen, ebenso 1897 aus Stuttgart. Daraufhin lebte er in Zürich, wo er von 1901 bis zu seiner Pensionierung 1926 als Lehrer tätig war. Er war sozialdemokratischer Zürcher Kantonsrat und Gemeinderat der Stadt Zürich. Nebenbei hielt Bommeli zahlreiche populärwissenschaftliche Vorträge. 3


Quellenangabe:

Die Thierwelt. Eine Illustrirte Naturgeschichte der jetzt lebenden Thiere. Rudolf Bommeli, Stuttgart Verlag von Dietz, 1894

Fußnoten:

  1. Der Hundekoth wurde ehedem unter dem Namen Griechisch-Weiß“ als Heilmittel gegen alle möglichen Krankheiten verordnet. ↩︎
  2. Der Hund markirt damit seinen Weg, wobei er sich auf seinen Geruchssinn verläßt. ↩︎
  3. Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) ↩︎